Alles begann mit zwei prächtigen Glasflaschen. Sie waren beide bis zum Rand mit lebendigem Wasser gefüllt. Ihr Besitzer hatte sie selbst designt, abgefüllt und in dem schönsten und besten Regal seiner Schatzkammer platziert. Doch eines Tages wurde es ihnen ein wenig zu eng, sie wollten ausprobieren, was es so alles um sie herum zu erleben gab. Beim Ausloten ihrer Grenzen fiel Flasche A plötzlich zu Boden. Obwohl sie nicht genau wussten, aus welchem Material der Boden war und was beim Aufprall passieren würde, erschrak Flasche B sehr. Aber Flasche A beruhigte sie: „Sieh her, mir ist nichts passiert. Komm du auch!“ Ohne lange zu zögern, sprang auch Flasche B vom Regal und landete ebenfalls ohne größere Probleme.
Kurze Zeit später jedoch, merkten sie, dass etwas anders geworden war. Ja, nicht nur sie merkten es, auch ihr Besitzer wusste sofort, was vor sich ging. Ein Riss im Boden der Glasflaschen ließ nämlich jede Menge Flüssigkeit austreten. In diesem Zustand waren sie für ihren Besitzer unbrauchbar geworden. Er hatte keine andere Wahl als sie aus seiner herrlichen Einrichtung zu werfen. Nun hatten sie die Möglichkeit, die ganze Welt zu erkunden, aber mussten akzeptieren, dass sie kein lebendiges, genießbares Wasser mehr in sich trugen.
Die beiden Flaschen waren erstaunt als sie sie sahen, dass sich um die aus ihnen austretenden Tröpfchen sofort neue Glasfläschchen bildeten. Ihr Schöpfer hatte tatsächlich die Möglichkeit der Vermehrung in ihre DNA gelegt.
Jahrhunderte vergingen, eine Generation Glasflaschen folgte der anderen und sie entwickelten sich ständig weiter. Sie lernten, Feuer zu machen, um sich zu wärmen. Sie machten Kissen und Betten, um sich ins Weiche legen zu können. Sie erfanden Flaschenwägen, um sich bequemer fortzubewegen. Um die entstandene Leere in ihrem Inneren zu füllen, ließen sie sich verschiedene Spiele einfallen. Es entstanden Wettkämpfe, um herauszufinden, wer denn die schönste, stärkste und großartigste Flasche wäre.
Mit steigender Flaschenzahl nahm auch das Konfliktpotenzial unter den Flaschen stark zu. Nicht selten schlugen sie sich die Flaschenköpfe ein. Manche Flaschen zerschellten in diesen Kämpfen, die anderen erlebten ihr Ende ruhig nach jahrelanger Abnutzung. Ein Meer von Scherben prägte das Landschaftsbild. Vor dieser Grausamkeit konnte auch der Designer der Flaschen nicht wegsehen. Im Gegenteil, Liebe bewegte ihn zum Handeln. Millionen von Flaschen waren bereits gebrochen und zerstört worden, da präsentierte er die einzige Rettung aus diesem Teufelskreis.
Er sandte seinen Sohn auf die Erde, um gebrochene Flaschen sammeln zu gehen und sie zu erneuern. Tatsächlich hatte dieser die Macht, einer Glasflasche eine völlig neue Identität zu geben. Die Glasflasche selbst musste gar nicht viel dafür tun. Zerbrechen – das war ironischerweise die einzige Bedingung, die der Schöpfer an sie stellte. Nachdem er im Stile eines Töpfers eine neue Flasche gestaltet hatte, füllte er sie mit Leben. Er beseitigte den Schmutz und stellte den ursprünglichen und angedachten Zustand wieder her.
Jede erneuerte Flasche sollte nun in ihrer Umgebung darauf aufmerksam machen, wer sie erneuert hatte und dass eine derartige Veränderung genauso für andere möglich wäre, wenn sie den Wunsch zum Zerbrechen in sich tragen würden. Der Moment, der vielen anderen den großen Knall und lauter Scherben hervorbrachte, hob die erneuerten Flaschen wieder auf das hohe Regal in der Schatzkammer ihres Herrn. Dort blieben sie für immer.
„Vorsicht Glas“ und „Achtung zerbrechlich“ – solche Formulierungen habe ich früher automatisch dem Transport von Möbeln zugeordnet. Mittlerweile weiß ich, dass das auch sehr präzise uns Menschen beschreibt. Bei genauerem Hinschauen stehen diese Worte meinem Nächsten direkt ins Gesicht geschrieben. Oft sitzt er im Glashaus oder baut sich seinen Glasturm. Er ist nichts anderes als ein Gebilde, das auf seine Zerstörung wartet. Ein Stein, ein Schlag – ein tödlicher Moment, der sein Leben für immer zerbricht. Und was bleibt dann übrig?
Ursprünglich wurden wir geschaffen, um zu leben. Die Sünde hat unser Leben zerstört.
Seitdem hat es Gott so festgelegt, dass wir vor ihm zerbrechen müssen. Entweder wir ergreifen hier die Gelegenheit oder es geschieht, wenn wir vor ihm erscheinen werden.
Zerbreche jetzt vor Gott, um ihm immer nah zu sein, bevor er dich zerbricht, um dir immer fern zu sein!
Gott ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben. Psalm 34,19
Kommentare